Sonntag, 9. März 2008

Hat die globale Erwärmung seit 1998 gestoppt?

Seit einiger Zeit findet man in den Blogs wiederholt die Behauptung, die globale Erwärmung hätte gestoppt. Meistens bezieht man sich auf das Jahr 1998 als lokales Maximum, in dem ein besonders starker El Nino zu einem besonders warmen Jahr geführt hatte. Im nachfolgenden Jahr ging die globale Temperatur um diesen Erwärmungsbetrag zurück, um in den alten Erwärmungstrend zurückzufallen. Von den beiden globalen mittleren Temperaturen, die aus den Bodenmeßnetzen abgeleitet werden und die allgemein als Referenz gelten, zeigt nur die des britischen Hadley Centres (üblicherweise gekennzeichnet mit HadCRU) 1998 noch als Rekordjahr. Bei den Temperaturen der NASA (gekennzeichnet als NASA-GISS) war bereits 2005 wärmer als 1998. Der Unterschied zwischen beiden Zeitreihen ergibt sich daraus, daß die GISS-Daten auch eine Interpolation des Temperaturtrends der Polregionen enthalten, die CRU-Daten nicht. Der Unterschied ist aber kleiner als der Fehler aus den Messungen und den enthaltenen Verfahren zur Interpolation und Rasterung der Daten.

Die Temperaturzeitreihen findet man bei NASA-GISS und bei Had-CRU und werden von mir hier bis 2007 angezeigt:






Unter den angegebenen Links findet man die Diagramme mit den Erläuterungen. Man sieht aber auf einen Blick, daß der Temperaturtrend durchaus nicht durch 1998 verändert wurde. Das ist auch nicht möglich, denn ein einzelnes Jahr hat nichts mit Klima zu tun, sondern fällt in dieser Betrachtung unter Wetter und ist hier geprägt von dem Wetterereignis El Nino (weitere Erläuterungen hier). Ich habe auch schon die ironische Bemerkung dazu gelesen, die globale Erwärmung hätte 1998 gestoppt - und 1999 wieder eingesetzt.
Es gibt mehrere Feststellungen, die unabhängig voneinander begründen, warum wir uns in einem intakten Erwärmungstrend befinden, obwohl derzeit der Temperaturrekord von 1998 in der Temperaturreihe des Hadley Centers noch nicht eingestellt wurde. Ich habe die folgende Rechnung zwar mit den GISS-Daten gemacht, aber mit den CRU-Daten kommt praktisch das gleiche heraus.
1. Man kann nicht den Anfangspunkt für einen Trend gerade so herauspicken, daß es einem politisch in den Kram paßt. Das hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Und es gibt daher auch keinen Grund 1998 vor irgendeinem anderen Jahr zu bevorzugen. Und ausgehend von jedem anderen Jahr sind die Temperaturen bis 2007 gestiegen. Der Sonderfall 1998 ist durch ein solares Maximum und den El Nino erklärt.
2. Man kann einen klimatologischen Trend nicht auf genau 2 Punkten aufbauen, das heißt auf genau zwei Jahren, nämlich einem willkürlich gewählten Anfangsjahr und willkürlich gewählten Endjahr. Damit kann man jeden Trend herbeiführen, den man wünscht. Mit richtig gewählten Jahren kann man beweisen, daß in 100 Jahren die Ozeane kochen oder das sie allesamt gefroren sind. Deshalb muß man den Trend unter Verwendung aller Jahre berechnen. Eine lineare Regression über die letzten 5, 10 oder jeden anderen größeren Zeitraum zeigt eine positive Steigung und damit einen anhaltenden Trend zur globalen Erwärmung. Ich kann zum Beipiel die lineare Regression für die Jahre 1998 bis 2007 berechnen, also genau für den Zeitraum, für den behauptet wird, es gebe keinen Erwärmungstrend. Ich erhalte eine Steigung von plus +0,0185 Grad und einen Achsenabschnitt in 0,386 Grad, wenn ich das Jahr 1998 als das Jahr 1 setze. Wohlgemerkt, genau für den Zeitraum, in dem es angeblich keine Erwärmung mehr gibt, finde ich genau den Anstieg, der vom IPCC als der aktuelle Erwärmungstrend von 0,2 Grad pro Dekade angegeben wird.
3. Einzelne Jahre sind von kurzzeitigen Fluktuationen wie ENSO, Vulkanausbrüchen oder 11-jährigem Sonnenzyklus geprägt. Um einen Datensatz zu gewinnen, der nicht von solchen Fluktuationen geprägt ist, muß man die Daten durch ein gleitendes Mittel glätten. Führt man das durch, dann zeigt die geglättete Kurve aktuell einen Anstieg, also einen intakten Erwärmungstrend. Das schon bei einem Mittel über 5 Jahre, aber erst recht bei einem Mittel über 10 oder 15 Jahre. Die geglätteten Kurven wurden hier gepostet, und sind bei NASA/GISS und bei Hadley Center/CRU einsehbar.
4. Wenn man statistische Aussagen über einen Datensatz trifft, wie etwa über die vorhandene Steigung (Trend), muß man die verwendeten Datenpunkte darauf testen, ob sie Ausreißer enthalten, die statistisch nicht zu den restlichen Punkten gehören. Wendet man einen solchen Test an (z.B. Nalimov-Test), fällt das Jahr 1998 bei einer Zeitreihe ab diesem Jahr bis 2007 bezüglich einer linearen Regression als Ausreißer heraus. Die übrigen Punkte zeigen einen eindeutigen Trend zur globalen Erwärmung. (Test mit 95%-Konfidenz, bei 99%-Konfidenz liegt der Punkt nur ganz knapp unter der Grenze. Ich habe mit 8 Freiheitsgraden gerechnet und für die r-Statistik 2,26 erhalten - 95%-Grenze bei 1,895, 99%-Grenze bei 2,294.) Jeder einzelne Grund ist für sich genommen valide und ausreichend. Jeden einzelnen müßte man widerlegen, um behaupten zu können, durch das eine Jahr 1998 sei belegt, daß die globale Erwärmung zum Halten gekommen sei.
Weitere Informationen dazu (auf englisch) erhält man im Blog Real Climate (hier zu Vergleichen mit Modellrechnungen) und bei Tamino Wordpress.

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