Donnerstag, 30. Juli 2009

ENSO macht keinen Trend, aber Politik

Angenommen, ich möchte zeigen, das der größte Teil der globalen Temperaturänderungen der letzten 100 Jahre von der Südlichen Oszillation (El Nino Southern Oscillation, kurz ENSO), einer wiederkehrenden Schwankung von Luftdruckunterschieden und von Meeresströmungen im Pazifik, verursacht wurde, wie würde ich da vorgehen?

Zunächst einmal müßte ich aus der Temperaturzeitreihe den langjährigen Trend entfernen, denn hier spielen ja die Treibhausgase eine große Rolle. Weiterhin würde ich Schwankungen aus der Zeitreihe entfernen, die kurzfristig erfolgen relativ zu ENSO. Auf jeden Fall würde ich alle Variationen, die schneller als ein Jahr erfolgt, wegfiltern, denn ENSO ereignet sich auf einer Zeitskala von wenigen Jahren.

Was für ein Zufall, daß in dem Artikel von McLean, J. D., C. R. de Freitas, and R. M. Carter, Influence of the Southern Oscillation on tropospheric temperature, J. Geophys. Res., (2009), 114, D14104, doi:10.1029/2008JD011637, genau dieses gemacht wurde. Die Autoren wollten Temperaturen aus Satellitenmessungen (der Datensatz der University of Alabame in Huntville, UAH, aus der mittleren Troposphäre) mit dem Southern Oscillation Index (SOI) vergleichen, der über den Luftdruckunterschied zwischen West- und Ostpazifik die Stärke von El Nino (negativer Wert) bzw. La Nina (positiver Wert) mißt. Erfahrungsgemäß wirkt sich ENSO erheblich auf die regionale und die globale Temperatur aus. Primär findet bei einem El Nino ein Zustrom warmen Oberflächenwassers vor der Westküste Südamerikas statt. Die Zirkulation in die Tiefsee wird geschwächt, der Wärmetransport in die Arktis wird verstärkt und insgesamt wird es an der Oberfläche gegenüber vor oder nach einem El Nino wärmer. Bei einem La Nina passiert genau das Gegenteil. Weil dieser Zusammenhang bekannt ist, wird er auch intensiv diskutiert, wenn es zum Beispiel um die Diskussion von Temperaturänderungen geht, die auf der Zeitskala von wenigen Jahren stattfinden. Insgesamt zähle ich in meinem Blog ENSO unter globales Wetter. Weil es sich bei ENSO um eine Oszillation, eine Schwankung der Temperaturverteilung und der Wärmeflüsse in den Ozeanen handelt, erwarte ich davon keinen langfristigen Trend. Dies wurde auch z.B. von Lean and Rind, How Natural and Anthropogenic Influences Alter Global and Regional Surface Temperatures: 1889 to 2006, Geophysical Research Letters, (2008) 35, L18701, doi:10.1029/2008GL034864 gezeigt, die ENSO, Aerosole aus Vulkanen und Änderungen der Sonneneinstrahlung als Quellen für Variabilität in der Temperaturzeitreihe belegten, aber den Trend der Temperaturentwicklung der letzten Jahrzehnte fast ausschließlich dem Anstieg der Treibhausgase zuordnen konnten.

McLean et al. wollten offensichtlich ein anderes Ergebnis. Deshalb nahmen sie ein gleitendes Mittel über 12 Monate der monatlichen Werte der Temperaturzeitreihe und des SOI. Damit sollten kurzzeitige Schwankungen herausgefiltert werden, die die Korrelation zwischen beiden Datensätzen verringert hätten. Andererseits sind nun beide Datensätze stark autokorreliert. Weiterhin wurden die beiden starken Vulkanausbrüche des El Chichon und des Pinatubo aus den Datenreihen entfernt plus ca. bis zu einem Jahr, das noch von der Vulkanasche beeinflußt sein könnte. Die so verstümmelten Datensätze waren den Autoren aber immer noch nicht genug präpariert. Sie wurden auch noch vom Trend befreit, indem die monatlichen gemittelten Werte von denen 12 Monate später jeweils abgezogen wurden. Das ist im Grunde eine Ableitung der Zeitreihe nach der Zeit, indem nun jeweils die Änderung innerhalb eines Jahres betrachtet wird. Nachdem also alles aus den Datensätzen beseitigt wurde, was eine hohe Korrelation zwischen Temperatur und dem ENSO-Signal hätte beeinträchtigen können, fand man genau das, was man finden wollte – eben diese hohe Korrelation, die schon allen im Felde bekannt war (nicht zuletzt in Lean und Rind, 2008 belegt – siehe oben) und auch in den IPCC-Berichten diskutiert wurde. Neu ist lediglich, daß man die Korrelation zwischen den verstümmelten, gemittelten und nach der Zeit abgeleiteten Datensätzen für Temperatur und SOI noch weiter erhöhen kann, wenn man sie um 7 Monate gegeneinander verschiebt. Wäre es nur darum gegangen, wäre das ein langweiliger, aber wissenschaftlich korrekter Artikel gewesen. Aber mindestens zwei der Autoren sind bekannte Leugner des Klimawandels, die sich schon längst von seriöser Wissenschaft verabschiedet haben und dieser Artikel zeigt genau, warum ich de Freitas und Carter nicht für seriöse, ehrliche Wissenschaftler halte.

Der wichtigste Punkt sind die Schlußfolgerungen. Obwohl die Zeitreihen durch die Subtraktion der Werte voneinander im Jahresabstand, was letztlich eine Ableitung nach der Zeit ist, von ihrem Trend befreit wurden, behaupten die Autoren dort, sie hätten belegt, daß „vielleicht“ ENSO und nicht anthropogene Treibhausgase die globalen Klimaveränderungen bewirkt hätten. Das ist eine platte Lüge, denn wenn man den Trend aus einer Zeitreihe entfernt, kann sich der in einer Analyse auch nicht auswirken und mit nichts korrelieren. Dies wird noch deutlicher in der Presseerklärung, die Carter herausgab, in der er ganz offen davon sprach, daß man belegt habe, daß nicht der Mensch, sondern ENSO den Klimawandel mache. Wenn man den Hintergrund dieser Autoren kennt, ihre Kommentare dazu sieht und sich die Arbeit unter diesem Gesichtspunkt anschaut, kann man zu keinem anderen Schluß kommen, als daß dies eine präzise geplante Arbeit war, die alleine der Propaganda gegen den wissenschaftlichen Sachstand zum Klimawandel dienen sollte. Es war ja vorher bekannt, daß die Variabilität der globalen Temperatur im Bereich weniger Jahre vor allem mit dem ENSO-Signal korreliert, und alle Analyseschritte waren systematisch darauf aufgebaut, diesen Punkt zu betonen. Man hat sogar darauf geachtet, die aus Satellitenmessungen berechnete Temperatur zu nehmen, weil bekannt ist, daß sich hier das ENSO-Signal noch stärker zeigt als in den Bodenmessungen, die zudem die von ENSO weniger betroffenen polaren Gebiete stärker betonen.

In der ganzen Arbeit findet man Stellen, in denen gar nicht mal subtil eine politische Botschaft untergebracht wird. So wird bei der Begründung für die Wahl der Temperaturdaten, die aus Satellitenmessungen berechnet wurden, behauptet, daß diese Daten zuverlässiger seien als die Daten von Bodenmeßstationen. Letztlich wurde damit angedeutet, daß diese Daten nicht korrekt seien – gemeint waren damit Unterstellungen, die Daten seien vom städtischen Wärmeinseleffekt oder gar politisch motivierten Manipulationen verseucht.

An anderer Stelle wurde anerkannt, daß schon in dem 4. IPCC-Bericht der Einfluß von ENSO auf die Variabilität der globalen Temperatur hingewiesen wurde und betont wurde, daß man ENSO-Zyklen nicht über mehr als maximal 12 Monate vorhersagen könne. Daraus wurde die Unterstellung abgeleitet, daß Klimamodelle, die also die wichtigste Quelle für Variabilität in den globalen Temperaturdaten mit Anerkennung durch das IPCC nicht vorhersagen könnten, könnten erst recht keine Aussagen zum Klimawandel bis zum Jahr 2100 machen. Dies ist eine etwas originellere Variante des absichtlichen Verwechseln von Wetter und Klima.

Wettervorhersagen sind Anfangswertprobleme, bei denen ein konkreter Wetterzustand in die Zukunft vorausberechnet wird, wobei sich schnell ein Vorhersagefehler aufschaukelt. Klimaprojektionen sind Randwertprobleme, bei denen man einen typischen, mittleren Zustand der Atmosphäre sich auf die vorgegebenen Randbedingungen einschwingen läßt. ENSO vorherzusagen gelingt über 6 bis maximal 12 Monate. Aber der klimatische Trend ist auch eine Mittelung über viele ENSO-Zustände, daher ist es für eine Klimaprojektion keineswegs erforderlich, einzelne ENSO-Zyklen vorherzusagen. Auch dies ist den Autoren bekannt, die sich politisch zweckmäßig dumm stellen.

In einem weiteren Abschnitt behaupten die Autoren, daß Klimamodelle mit den in ihnen enthaltenen Darstellungen der natürlichen Variabilität der globalen Temperatur diese nicht hätten erklären können und die Abweichung zwischen den bekannten natürlichen Einflüssen und den Beobachtungen hätte man dann dem anthropogenen Treibhauseffekt zugewiesen. Das ist absurd, denn der Effekt der Treibhausgase auf den Strahlungshaushalt wird genauso modelliert wie die übrigen Einflüsse. Wenn dann Diskrepanzen zwischen Modellergebnissen und Beobachtungen verbleiben, ist genau das dann der Modellfehler, den man dann zur Kenntnis nimmt – anders wäre es nicht möglich, die Klimamodelle zu verbessern. Auch diese völlig falsche Zuweisung ist rein politisch kalkuliert.

Letztlich war die ganze Untersuchung zur Korrelation von SOI und Temperatur nur ein Vehikel, um die üblichen Verschwörungstheorien, Vernebelungstaktiken und Diffamierungen des wissenschaftlichen Prozesses unterzubringen, die schon seit gut 20 Jahren im Umlauf sind. Die Fachbegutachter, die diesen Beitrag passieren ließen, haben vielleicht zu sehr darauf geachtet, ob der Beitrag mit dem ENSO-Phänomen richtig umgeht und die darauf bezogenen Aussagen korrekt sind. Das ist weitgehend der Fall. Der politische Unterton ist ihnen aber anscheinend genauso entgangen, wie die inhaltlich gar nicht gedeckten Schlußfolgerungen, Klimamodelle taugten nichts und der klimatische Trend sei „vielleicht“ nur von ENSO, aber nicht von anthropogenen Treibhausgasen erzeugt worden. Zum Teil liegt es daran, daß die Autoren ein bewußtes Vernebelungsspiel mit dem Wort Varianz bzw. Variabilität treiben, das zum einen Veränderungen auf dem Trend bedeuten kann, aber auch Veränderungen unter Einschluß des Trendes (zum einen „variance“, zum anderen „variation“, beide Begriffe werden benutzt, als bedeuteten sie das gleiche). Innerhalb des Artikels kann man gutwillig unterstellen, daß nur die Variabilität auf dem Trend gemeint sei, denn schließlich läßt die Form der Analyse nur dieses zu. Aber mit den Hinweisen in den Schlußfolgerungen und ganz besonders mit der Presseerklärung wird klar gemacht, daß die Leser davon überzeugt werden sollen, daß der Trend selber mit gemeint sei. Genau so wird methodisch eine scheinbar seriöse Fachpublikation in Wahrheit zum trojanischen Pferd, politische Aussagen zu transportieren und die wissenschaftliche Arbeit zu torpedieren. Das der Zweck erreicht wurde, zeigt schon, daß der Titel der wissenschaftlich nicht originellen Arbeit alleine bei google bereits nach einer Woche über 3000 Treffer erbringt, was zeigt, wie begierig Leugnerblogs inzwischen solche trojanischen Pferde aufgreifen, um das politische Kapital daraus zu schlagen.

Was Leugner sicher nicht belasten wird, aber für sie eigentlich ein Problem sein müßte, daß hier der Zoo von sich widersprechenden Anti-IPCC-Thesen weiter erweitert wird. Während die Fachwelt sich weitgehend einig ist, daß die globale Temperatur wesentlich durch anthropogene Treibhausgase ansteigt, kursieren bei Leugnern nun die (in der Fachwelt widerlegten) Thesen:

Vielleicht sollten die Leugner erst mal unter sich ausmachen, was denn nun eigentlich ihre alternative Theorie ist, abgesehen davon, daß sie in der Pflicht stehen, sie genauso sorgfältig zu belegen wie die allgemein akzeptierte Theorie vom menschengemachten Klimawandel mit einer Klimasensitivität im Bereich von 2 – 4,5 Grad je Verdopplung des CO2-Mischungsverhältnisses.


Der Artikel wird außerhalb von Leugnerkreisen wohl kaum zitiert werden, da sein wissenschaftlicher Wert fraglich ist. Aber das war ja auch nicht sein Zweck. Der ist damit erfüllt, daß in einigen Zeitungen mit geringer Expertise der Beitrag genau so kommentiert wurde, wie es beabsichtigt wurde – als Beweis, daß der Klimawandel natürliche Ursachen habe, offiziell publiziert in einer Fachzeitschrift mit recht hohem Ansehen. Wie sich das auswirkt, sieht man dann an so schlampigen Beiträgen wie zum Beispiel hier in der Welt, wo ich schon oft solche Machwerke beobachtet habe und seriösen Wissenschaftsjournalismus nicht mehr erwarte. Was da alles nicht stimmt und offensichtlich kritiklos aus der Presseerklärung von Carter abgeschrieben wurde, kann sich nun jeder Leser selbst denken.

Stellungnahmen zu dem Machwerk findet man in Taminos Blog, der sehr gut erläutert, warum man mit den nach der Zeit differenzierten Zeitreihen keine Korrelationen des Trends finden kann, bei Michael Tobis in seinem Blog Onlyinitforthegold, dem erst nach und nach in Überarbeitungen klar wurde, was an der Arbeit so alles nicht stimmt und mehr die politische Seite betrachtet.

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