Sonntag, 11. Juli 2010

Erbsenzählen ist keine Wissenschaft

Angriffe gegen das IPCC oder gegen ausgewählte Feindbilder wie die Professoren Michael Mann, Phil Jones oder James Hansen wurden notorisch oft geführt und waren notorisch erfolglos. Man sieht das an der Serie von Entlastungen von Vorwürfen, die im Fall von Jones und der Climate Research Unit durch einen Parlamentsausschuß, durch den Oxburgh-Ausschuß und den Muir-Russell-Ausschuß ausgesprochen wurden oder über die Ergebnisse und den Abschlußbericht der Untersuchung bei Michael Mann erteilt wurden. Man sieht es auch daran, daß die angegriffenen Ergebnisse von anderer Seite reproduziert wurden, zuletzt beispielsweise wurden die Ergebnisse des 4. Berichts des IPCC vom Niederländischen Amt für Umweltanalysen PBL bestätigt. Man denke auch an die Bestätigung von Michael Manns "Hockeyschlägerkurve" durch ein Komitee des National Research Council der USA. Einige Zeitungen, die Falschmeldungen über angebliche Fehler im IPCC-Bericht verbreitet hatten, haben dies inzwischen zurückgezogen, zum Beispiel die britische Times einen angeblichen Fehler des IPCCs zur Bedrohung des Amazonas-Regenwaldes durch den Klimawandel. Die meisten Medien lassen jedoch über ihre Falschberichterstattung lieber Gras wachsen, wie zum Beispiel die völlig uneinsichtigen, arroganten und sturen Journalisten des Spiegels, deren Falschberichterstattung ich hier zum Thema gemacht hatte, wie das Versagen des Journalismus überhaupt. Einer der wichtigsten Aussagen im Muir-Russell-Report war im übrigen, daß dort bestätigt wurde, daß es möglich war, in zwei Tagen die Temperaturzeitreihe der Climate Research Unit auf Basis der Publikationen und frei verfügbarer Daten zu reproduzieren - etwas, was Steve McIntyre und seiner Climate Audit-Gemeinde trotz vorgeblich heftigster Anstrengungen ohne Anfragen nach dem Freedom of Information-Gesetz und selbst mit ihnen über mehrere Jahre angeblich nicht möglich war, was entweder schlimmste Unfähigkeit oder sehr bösen Willen ausdrückt.

Diese Erfahrungen hindern natürlich die üblichen Verdächtigen nicht daran, ihre Angriffe gegen das IPCC und überhaupt die Wissenschaft fortzuführen, wie man zum Beispiel auf der Klimazwiebel, dem Leugnerblog im Gewand des "ehrlichen Maklers" nachlesen kann. Da behauptet Roger Pielke senior, er habe drei weitere Fehler im IPCC-Bericht gefunden. Was er Fehler nennt, ist dabei maximal Erbsenzählerei, wenn man nicht sogar eher von eingebildeten Fehlern reden muß. Der erste sogenannte Fehler ist, daß das IPCC im Bericht der ersten Arbeitsgruppe den Klimawandel in Form der Strahlungsantriebe gemessen am Oberrand der Atmosphäre mit Bezug auf den vorindustriellen Zustand 1750 zusammenfaßt. Es gebe alternative Möglichkeiten, den Strahlungsantrieb zu betrachten, insbesondere mit erhöhter regionaler Auflösung. Das kann man. Aber das IPCC hat das nicht getan, aus dem nachvollziehbaren Grund, eine einfache, global wirksame Metrik zu verwenden mit bekannten Restriktionen in ihrer Aussage. Andere Ansätze wären vielleicht in manchen Punkten genauer, zugleich aber auch komplexer und nicht geschlossen darstellbar gewesen, wie die einfache Liste der Strahlungsantriebe der verschiedenen Treibhausgase und anderer Strahlungsantriebe. Ein Fehler? Nein, nur Korinthenkackerei von Pielke. Der zweite Punkt ist, daß eine Beschriftung zu einem Bild in der Zusammenfassung für Entscheidungsträger nicht korrekt sei. Das ist so relevant wie ein Entenpups für den Klimawandel - aus dem weiteren Zusammenhang im Text ist klar, was in der Bildunterschrift gemeint war. Der dritte angebliche Fehler ist, daß Pielke aus unmaßgeblichen Gründen meint, die Temperaturzeitreihe der Landmeßstationen der Climate Research Unit sei falsch, und da er das implizit in irgendwelchen Publikationen behauptet hatte, hätte das IPCC das berücksichtigen müssen und könne daher nicht behaupten, 11 der 12 Jahre 1995 - 2006 zählten zu den 12 wärmsten Jahren der gesamten globalen Zeitreihe. Das setzt voraus, daß Pielke recht hat, was man getrost bezweifeln darf. Da es keine Veranlassung gibt, an der Korrektheit der von anderer Seite reproduzierten CRU-Zeitreihe zu zweifeln, ist es auch absurd, vom IPCC zu verlangen, es dürfe diese Zeitreihe nicht für die zitierte Aussage heranziehen. Umgekehrt wäre es ein Fehler des IPCC, wenn es geschrieben hätte, was Pielke verlangt.

Also alles nur sinnlose Herumpupserei eines bedeutungslosen Wissenschaftlers? Nein, denn das Ganze hat ja Methode. Es geht nur darum, immer wieder zu behaupten, daß es Fehler im IPCC-Bericht gebe und man daher dessen Aussagekraft hinterfragen müsse. Ob die Vorwürfe stimmen oder ob sie relevant sind, ist dabei unbedeutend. Den Rest erledigt die Inkompetenz der Journalisten, die dann wieder ihre Serie angeblicher Fehler der Wissenschaft bzw. des IPCC verlängern.

In diesem Sinne sind auch die Aktivitäten von Steve McIntyre, des selbsternannten Auditors, zu sehen, dessen Job auch nur ist, dauernd zu behaupten, Michael Mann und seine Kollegen oder das IPCC würden Fehler machen. Einen besonders beeindruckenden eingebildeten Fehler dokumentiert Deep Climate. McIntyre wirft dem IPCC vor, es würde bei einer Temperaturrekonstruktion von Briffa et al. den Temperaturabfall nach 1960 unter anderen Kurven verstecken. In dem Blog wird nachgewiesen, daß diese Behauptung nicht stimmt und daß McIntyre diese Behauptung auch noch auf der Basis einer gefälschten Graphik der britischen Daily Mail vorbringt. Blickt man auf die gesamten Leistungen dieses "Auditors" zurück, sieht man viele Beispiele solcher Erbsenzählerei, aber keinen einziges Beispiel dafür, daß die Wissenschaft vorangebracht wurde oder auch nur einmal eine grundsätzliche Aussage von Wissenschaftlern umgestoßen wurde. Das ist ein Unterschied, den man in der Öffentlichkeit verstehen muß: wann wird an irgendwelchen Details gemäkelt, wie Bildbeschriftungen, der korrekten Bezeichnung verwendeter Dateien oder Fehlern in einer nicht signifikanten Nachkommastelle, und wann geht es um grundsätzliche Feststellungen zum Klimawandel. Leugner erkennt man daran, daß ihre Beiträge zu letzterem gleich Null sind.

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