Sonntag, 6. Februar 2011

Versöhnungstreffen? Eher nächste Runde im Propagandakrieg.

In Lissabon fand angeblich ein Treffen statt zur Versöhnung der seriösen Wissenschaftler, auch gerne Warmisten oder Alarmisten genannt, und der Leugner, Lügner, Verschwörungstheoretiker und Betroffenheitstrolle, auch gerne fälschlich Skeptiker und ehrenwerte Makler genannt. Dieses Treffen war alles andere als das. Zunächst beruhte es auf der Annahme, es ginge bei dem Streit darum, wie einige wissenschaftliche Erkenntnisse zu bewerten seien. Also, ob zum Beispiel die mittelalterliche Erwärmung stattgefunden habe, wie die Klimasensitivität einzuschätzen sei und ob die globalen Temperaturzeitreihen korrekt seien. Und daß man dies dadurch herausbekommt, daß man irgendwelche Blogger und einzelne zufällig herausgegriffene Wissenschaftler mit Journalisten und Philosophen und Soziologen drei Tage zusammenbringt. Das Problem ist, daß jeder, der sich mit wissenschaftlichem Arbeiten beschäftigt hat weiß, daß es so nicht geht. Es gibt wissenschaftliche Fachtagungen für diese Fragen und Fachzeitschriften, in denen solche Fragen bearbeitet werden. Und jeder, der vorgibt, sich mit Wissenschaftstheorie zu beschäftigen, muß das wissen. Es ist Grundlage der Arbeit, so wie ein Meteorologe wissen muß, was eine Temperatur ist und woher er Daten bekommt, wenn er vorhat, globale Temperaturzeitreihen zu erstellen. Frage Nummer 1: wieso wissen die Lissaboner Veranstaltungsorganisatoren nicht, was sie als Voraussetzung für ihre fachliche Arbeit zwingend wissen müßten? Zu den Tagungsteilnehmer zählen Wissenschaftler vom Fach wie Hans von Storch und Judy Curry. Warum wissen die nicht, wie man in ihrem Fach arbeitet? Und schließlich die Rolle der Journalisten. Das Machwerk von Traufetter hatte ich bereits aufgegriffen. Auf der anderen Seite hatte auch Fred Pearce vom New Scientist einen Artikel zu dem angeblichen Versöhnungstreffen geschrieben. Während Traufetter falsch behauptete, Gavin Schmidt hätte sein Kommen zum Treffen abgesagt, um Steve McIntyre nicht zu begegnen, und dies bisher nicht korrigiert hat, brachte Pearce die Behauptung auf, Schmidt hätte sein Kommen abgesagt, weil es deshalb nichts zu diskutieren gäbe, weil die Wissenschaft zum Thema abgeschlossen sei und zu endgültigen Ergebnissen gekommen sei ("the science is settled"). Ist das wahr? Wenn nicht, warum schreibt Pearce so etwas? Und was steckt wirklich hinter dem sogenannten Versöhnungstreffen?
Fangen wir mit Fred Pearce an. Im New Scienstist berichtete er über das Versöhnungstreffen in ähnlich irreführender Weise wie Traufetter im Spiegel. Genauso wie jener gab Pearce zunächst den Eindruck, hier hätte eine echte Konferenz stattgefunden, besetzt mit Klimaforschern und Leugnern (Skeptiker genannt). Daß in Wahrheit die Personen, die Klimaforschung betreiben, in der Minderheit waren, und von diesen maximal fünfen drei zu den Betroffenheitstrollen zählten, die die Leugnerseite mit subtiler Methodik einnehmen, tatsächlich aber kein einziger Wissenschaftler da war, von dem man hätte sagen können, daß er irgendeinen Bereich der seriösen Klimaforschung tatsächlich vertritt, verschwieg Pearce. Richtig böse aber war, daß er Gavin Schmidt etwas unterstellt, was er nachweislich weder gesagt hatte noch gesagt haben könnte. Wer bei Rabett Run nachschaut, kann dort noch mal nachlesen, was im Einladungsschreiben an Gavin Schmidt stand, was dieser geantwortet hatte und was Gavin Schmidt danach an Pearce geschrieben hatte. Den Sachverhalt hatte auch Tamino im Blog Open Mind kommentiert. Und auch bei Deltoid findet man eine Aufstellung dazu, wer was geschrieben hatte und die ironische Bezeichnung des journalistischen Lügengespinstes als Pearcegate. Kurz: es ist eine oft benutzte Redefigur der Leugner, daß Klimaforscher behaupten würde, die Wissenschaft sei abgeschlossen, während in Wahrheit kein Wissenschaftler so etwas behauptet. Pearce Behauptung ist gelogen und dazu Leugnerpropaganda. Und das macht klar, worum es bei Pearces Arbeit genauso ging, wie der von Traufetter. Zuerst wird eine angebliche Wissenschaftstagung vorgespielt, die in Wahrheit keine war. Dann werden Artikel und Blogbeiträge lanciert, die den Mythos von der Wissenschaftstagung verbreiten. Und darin eingebettet wird Leugnerpropaganda verbreitet. Zum einen, daß es eine wissenschaftliche Kontroverse um Fragen gäbe, um die es so in Wahrheit keine Kontroverse in der Fachwelt gibt. Zum anderen, daß Klimaforscher arrogant seien und behaupteten, "the science is settled" und Daten und Code verbergen, vielleicht sogar, um ihre eigene politische Agenda ein grün-kommunistischen Verschwörung voranzubringen, während in Wahrheit all dieses nicht passiert.

Sowohl Traufetter als auch Pearce haben bisher ihre Artikel nicht korrigiert. Und im Fall von Pearce ist ihm ganz unmißverständlich auch vom Betroffenen seiner Verleumdung vorgebracht worden, daß er eine Falschmeldung verbreitet. Doch eine Korrektur erfolgt nicht, denn die mediale Komponente gehört zum Krieg der Leugner gegen die Wissenschaft dazu. Umgekehrt müßte man schon wieder fragen, wo eigentlich der seriöse, der investigative Journalismus bleibt, der untersuchen würde, wie die Leugnerkreise organisiert sind, wie sie solche Pseudowissenschaftstagungen vorbereiten, wer das wirklich und warum finanziert, wie hinterher damit Propaganda in Blogs und mit eingebundenen Journalisten gemacht wird und wie damit Politik betrieben wird. Die Medien tun bei diesem Thema ihre eigentliche Arbeit nicht. Man möchte Journalisten zurufen: He, aufwachen! Hier passiert etwas und ihr berichtet nicht darüber, ihr berichtet allenfalls über die inszenierten Pseudoskandale.

Der ganze Skandal rückt aber auch die beteiligten Wissenschaftler in ein sehr schlechtes Licht. Jerome Ravetz und Jeroen van der Sluijs betreiben Forschung dazu, wie Wissenschaft abläuft und entwickeln die Theorie von der post-normalen Wissenschaft. Fachliche Voraussetzung für ihre Arbeit ist daher zu wissen, wie eigentlich Wissenschaft gemacht wird. Wie also Theorien gebildet werden, Wie publiziert wird. Wie Fachtagungen gemacht werden. Wenn man dies alles weiß, kann man dann auf die Idee kommen, die Kontroverse um die Klimaforschung könnte eine fachbezogene Kontroverse sein? Eine fachbezogene Kontroverse, die in den Fachzeitschriften und auf den Fachtagungen nicht stattfindet? Die man auflösen könnte, indem man eine willkürliche Sammlung von Bloggern und Wirrköpfen mit eine noch willkürlicher ausgesuchten Handvoll mehr oder weniger, eher weniger im Gebiet arbeitenden Zahl von Wissenschaftlern zusammenbringt (weniger als 20% der Teilnehmer!), das ganze aufgefüllt mit Journalisten (Journalisten!), Soziologen, Philosophen und Ökonomen?

Ich schreibe es mal ganz offen: wenn das wahr wäre, hätten Ravetz und van der Sluijs von ihrem eigenen Fachgebiet keine Ahnung. Sie wären Quacksalber, Stümper. Wüßten sie aber, wie Wissenschaft funktioniert, dann wäre ihnen auch klar, daß ihre ganze Tagung nur als Propagandaveranstaltung taugt. Das würde ihre unehrliche Zielsetzung aufdecken. Ein Dilemma: unfähig oder unehrlich?

Ähnlich sieht es mit Curry und von Storch aus. Curry nimmt auf der Tagung ein T-shirt als Preis entgegen, auf dem eine Mülltonne mit der Aufschrift "Klimawissenschaft" steht. Und fühlt sich geehrt. Die gleiche Curry, die sich darüber beklagt, sie sei zur Pariah unter den Klimaforschern geworden. Spätestens jetzt ist wohl klar, daß sie selbst gute Gründe dafür liefert. Offensichtlich geht ihre politische Frontstellung über ihre wissenschaftliche Integrität. Und von Storch? Er läßt die Drecksarbeit andere tun und vermeidet es möglichst, die unsinnigen Leugnerpositionen zu vertreten oder überhaupt zu deutlich eine Seite einzunehmen. Werner Krauss ist es, der die Pseudotagung im Blog Klimazwiebel anpreist. Aber von Storch müßte doch wissen, wo Fachfragen diskutiert werden können? Warum gibt er sich für diese Show her? Da niemand in seinen Kopf schauen kann, kann nur er das wissen. Beurteilen kann man nur, mit wem er sich zusammentut, wen er wiederholt in Artikeln oder Blogbeiträgen angreift und was er damit bewirkt - was mich schon einmal dazu bewogen hat, die Rolle des Betroffenheitstrolls darzustellen. Allerdings wird man irgendwann unglaubwürdig, wenn man einerseits so tut als wollte man neutraler Mittler zwischen Fronten in der Wissenschaft sein, und andererseits daran teilnimmt, Mißtrauen gegen die Klimaforschung zu schüren. Klimaforschung als post-normale Wissenschaft zu bezeichnen, bedeutet nichts anderes als zu behaupten, daß die Klimaforschung durch eine drängende politische Fragestellung daran gehindert ist, noch unabhängig zu arbeiten und daß ihre Fragen nicht naturwissenschaftlich gelöst werden können, sondern nur im Rahmen einer demokratischen Diskussion der gesamten Gesellschaft. Was absurd ist, sobald man sich die einzelnen Fachfragen anschaut, die da diskutiert werden. Von Storch weiß das, und stellt die Frage unehrlich dar, oder er weiß es nicht und steht in dieser Sache inkompetent da. Es ist das gleiche Dilemma wie bei Ravetz und van der Sluijs.

Was mich zu einem Punkt führt, der scheinbar gar nichts damit zu tun hat. Von Storch zitiert einen zwei Jahre alten Beitrag im Spiegel von sich, in dem er meinte, der Klimawandel würde weiter gehen, mit Erwärmung, steigendem Meeresspiegel und wachsender Not, aber die Menschen würden andererseits vom Alarmismus müde auch vernünftiger mit dem Thema umgehen. Schon diese Formulierung ist unfreiwillig komisch, denn wenn es allgemein Not durch den Klimawandel gäbe, hätte sich ja wohl das, was als Alarmismus diffamiert wurde, als sehr berechtigt herausgestellt. Dann fragt er, ob man zwei Jahre nach dem Beitrag die Schlußfolgerung halten könnte. Das ist sehr schwammig formuliert und man fragt sich, was soll man darauf antworten? Zwei Jahre sind klimatologisch ein Nichts. Ist dafür die Diskussion um die Klimaforschung anders geworden? Ein Jahr nach dem inszenierten Pseudoskandal von Climategate? Was soll die Frage? Eigentlich gar nichts. Denn richtig los geht es erst in der nachfolgenden Diskussion. Da gibt er eine Geschichte weiter, die der Journalist Bob Reiss in einem Interview 2001 erzählte: Reiss erzählt, er hätte um 1988 James Hansen gefragt, ob New York in 20 Jahren anders aussehen würde. Hansen behauptete angeblich, Teile der Stadt stünden dann unter Wasser, einige Vogelarten seien verschwunden, wegen heftigerer Stürme würden Fenster mit Haftfolien geschützt und es gäbe mehr Polizei, da bei größerer Hitze auch die Kriminalität anstiege. Es würde auch zu Dürren kommen und vermutlich würde man Wasser in Restaurants nur noch bei Nachfrage anbieten. Wenn James Hansen das tatsächlich so gesagt hatte und wenn er tatsächlich um 2001 gesagt hätte, er glaube das alles immer noch, dann stünde im Jahr 2011 Hansen ziemlich dumm dar, denn bisher sieht man davon nichts. Aber die Geschichte, die Reiss erzählt, ist nicht wahr. Hansen selbst erklärt (in Fußnote 1), daß zum einen nicht 20 Jahre, sondern 40 Jahre die Zeitspanne war, die Reiss ihm gab. Und dazu war eine weitere Bedingung, daß in den 40 Jahren die CO2-Konzentration sich verdoppeln sollte. Reiss gibt auch zu, daß er beim Interview sein eigenes Buch falsch wiedergegeben hatte. Nun war der Irrtum von Reiss als Propaganda von Klimaleugner Patrick Michaels genutzt worden. Daher verwundert es auch nicht, wenn der Leugnerblogger Steven Goddard dies unter seinen Freunden weiterverbreitet. Was verwundert ist, daß auch Hans von Storch diese Diffamierung von Hansen einfach weitergibt, ohne sich vorher mit den Hintergründen zu befassen. Und daß er, als Goddards Glaubwürdigkeit angegriffen wird, diesen zuerst in Schutz nimmt, was angesichts des Unfugs, den Goddard immer wieder verbreitet, erstaunt. Wie man an den weiteren Kommentaren sieht, ist aber der wesentliche Punkt angekommen: Leute wie Hansen schüren Angst mit übertriebenen Darstellungen der Geafhren des Klimawandels, sind also Alarmisten. Von Storch hingegen ist ein Realist, der Vernunft und Maß in die Diskussion bringen will, denn er fragt ja, ganz neutral, ob der Alarmismus in der Diskussion inzwischen nach 2 Jahren, einer extrem langen Zeitspanne bezogen auf den Klimawandel, einer wachsenden Vernunft gewichen sei (*Ironie Ende*). Ist von Storch neutral?

Oder was bedeuten Blogbeiträge wie jener: Von Storch bringt Beiträge, hier von einem angeblichen Geologen, in denen unterstellt wird, die Geschichte vom menschengemachten Klimawandel sei fragwürdig, gar ein Schwindel. Der Geologe meldet sich anonym, was vielleicht bei dem Stuß, den er da schreibt, der Klimawandel sei vom Menschen nicht zu beeinflussen, auch ganz gut ist.Warum postet man das? Um die Stimmung im Lande wiederzugeben? Was hat ein anonymer Beitrag mit der Stimmung im Lande zutun? Und wie kann man gleichzeitig schreiben, der Beitrag sei nicht repräsentativ und dann wieder, man bringe ihn als Fallstudie für die Stimmung im Lande, für ein weit verbreitetes Unwohlsein? Was denn nun? Für solche Beiträge gibt es Leugnerblogs. Wie kann man dem eine Plattform bereiten und dann doch wieder so tun, als distanziere man sich vom Inhalt socher Beiträge? Schaut man auf von Storchs Antwort auf Marco im Kommentar Nummer 4, sieht man ein Muster, wie man es in dem Blog immer wieder sieht. Von Storch hebt zum einen hervor, daß er natürlich glaubt, daß der Klimawandel real und von Menschen verursacht ist und zu Problemen führen wird. Aber, er habe Verständnis mit einem Unwohlsein unter Menschen, die nicht daran glauben. Und Leute, wie Marco, die den Unfug Unfug nennen, würden mit ihren harten Reaktionen die Leute wie den anonymen Autoren abstoßen udn damit erst recht diese in ihr Lager treiben. Was von Storch damit letztlich wünscht ist klar: sollen doch die, die den Leugnerstuß als solchen angreifen, doch bitte still sein. Nur sie sind daran schuld, daß es Streit gibt. Würden alle Wissenschaftler ihre Wissenschaft im Stillen machen, aber bloß nicht auf politischen Implikationen ihrer Ergebnisse hinweisen und das Maul halten, wenn in der Lobbypolitik ihre Forschung verfälscht und umgekehrt wird und würden alle Menschen ihren Mund halten, wenn Leugner sich zu Wort melden und höchstens höflich sagen "Wir haben eine Meinung und ihr eine andere und beides könnte stimmen, was aber werden wir zu Lebzeiten nicht wissen.", gäbe es keinen Streit. Die ganze Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Leugnern nur ein Problem mangelnder Höflichkeit auf der Wissenschaftsseite, keine Beziehung zur Faktenlage. Meine Meinung braucht niemand zu teilen, aber von Storch demaskiert sich in diesem Beitrag geradezu perfekt. Und damit versteht man auch seine Rolle bei der Propagandashow von Lissabon.

1 Kommentar:

Captain Pithart hat gesagt…

hallo herr zimmermann,

ich würde Ihnen gerne ein paar links schicken mit hintergrundinformationen, diese aber im augenblick nicht öffentlich posten, und kann keine kontakt-mailadresse finden. wenn Sie wollen, könnten Sie mich bitte bei googlemail.com unter captainpithart kurz kontaktieren?

gruß!

p.