Donnerstag, 13. September 2012

Hot Town, Summer in the City

Die globale Erwärmung läßt sich immer schwerer leugnen. Dazu zeigen die weltweiten Temperaturkurven zu eindeutig nach oben. Einen neuen Rekord zeigt auch das Abschmelzen des arktischen Meereises, das endgültig bestätigt, daß wir 2007 miterlebt hatten, daß die Arktis in ein neues klimatisches Regime eingetreten ist. Damit wird nun immer mehr zum Thema, welche Auswirkungen die globale Erwärmung hat. Eines der vieldiskutierten Themen dieses Jahr war, wie man in den Städten mit immer öfter kommenden Hitzewellen umgeht. Aber vorher will ich eine Geschichte erzählen, von einem Professor, der Sandkörner auf Papier klebte...


Es ist über 70 Jahre her, da hat Professor Ludwig Prandtl Sandkörner auf Papier geklebt. Dieses wurde in einer Versuchsanordnung mit Luft angeblasen und die Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit mit dem Abstand vom Papier gemessen. Er wollte herausfinden, wie eigentlich der Transport von Impuls durch neutral geschichtete Luft (in der also vertikale Bewegungen weder behindert noch gefördert werden) aufgrund von Turbulenz stattfindet und wie man dies berechnen kann. Heute wird der untere Teil der Atmosphäre, die Reibungsschicht, in der Hindernisse am Boden das Windfeld unmittelbar beeinflussen, nach ihm Prandtlschicht genannt. Meistens ist diese Schicht einige 10 Meter dick, manchmal sogar über 100 Meter. Die Reibung am Boden erkennt man daran, daß in neutraler Schichtung die Windgeschwindigkeit mit wachsender Höhe logarithmisch zunimmt - zuerst sehr schnell, dann immer langsamer. Will man das in einer Formel ausdrücken, ist die Windgeschwindigkeit proportional zum Logarithmus des Verhältnisses von Höhe und Rauhigkeitslänge. Die Rauhigkeitslänge ist wiederum eine Abschätzung der mittleren effektiven Höhe der Hindernisse, die die Luft abbremsen. Der Logarithmus wird multipliziert mit dem Verhältnis von Schubspannungsgeschwindigkeit und Karman-Konstante. Die Schubspannungsgeschwindigkeit gibt an, wie gut bei den vorherrschenden Verhältnissen der Transport des Impulses durch die Luft erfolgt, wie also die Abbremsung der Luft über entsprechende Reibung erzeugende Luftwirbel in die Höhe gebracht wird. Und die von Karman-Konstante war es, die Professor Prandtl da mit seinen Sandkörnern bestimmen wollte. In seinen Messungen fand er die Zahl 0,42.

Seitdem hat es immer wieder im Labor und im freien Feld Experimente und Kampagnen gegeben, bei denen man unter anderem auch die von Karaman-Konstante genauer bestimmen wollte als Prandtl mit seinen Sandkörnern. Über die Jahrzehnte schwankte die Zahl zwischen 0,35 und 0,45. Aber als ich zuletzt nachsah, stand der aktuelle Wert wieder bei 0,42. Nur der Fehlerbalken war kleiner geworden.

Aber was haben Prandtls Sandkörner mit dem Klimawandel in den Städten zu tun?

Städte sind Gebiete, in denen Luft abgebremst wird. Die Häuser wirken wie riesige Sandkörner und beruhigen daher die Luftströmungen im Stadtgebiet. Wenn sich in den Städten die Luft aufheizt, kann sie sich nur langsam mit kühlerer Luft außerhalb der Städte vermischen. Dadurch wird es in den Städten wärmer als im Umland. In der Nacht kann der Wärmeinseleffekt der Städte mehr als 10 Grad ausmachen. Warum heizen sich die Städte aber so auf, daß die Durchmischung der Luft zum kritischen Problem wird? Das liegt vor allem daran, daß versiegelte Böden und Gebäude ganz schlecht darin sind, Wasser zu verdunsten. Die Verdunstung von Wasser wandelt aber fühlbare Wärme in latente Wärme um. Erst wenn das in der Luft enthaltene Wasser zu Tröpfchen kondensiert, wird die latente Wärme wieder freigegeben. Und kann so zum Beispiel die gewaltige Energie eines Gewitters liefern. Ansonsten liefern auch Heizungen, Prozesswärme und elektrische Geräte ihren Beitrag zur Wärmeproduktion von Städten. Und die Bebauung der Böden behindert auch die Wärmeableitung in die Böden hinein. Die Behinderung der Luftdurchmischung durch die Bebauung macht den Wärmeinseleffekt aber erst so richtig sichtbar.

Der Wärmeinseleffekt ist nicht nur ein Grund dafür, daß die Temperatur an städtischen Wetterstationen schneller wachsen konnte als an ländlichen Stationen, und der daher zu Korrekturen von Temperaturzeitreihen führt, er hat auch Auswirkungen auf die Stadtplanung.Die Frage für Stadtplaner ist, wie man dafür sorgen kann, daß in den Städten mehr Wasser verdunstet werden kann. Dazu braucht man Pflanzen, Wasserflächen und entsiegelte Böden. Leicht gesagt, denn gerade dichte Bebauung sorgt dafür, daß der Boden effizient kommerziell ausgenutzt wird. Je höher die Bodenpreise, desto schwieriger wird es, Menschen davon zu überzeugen, in einer Stadt Freiflächen zu lassen.

Also braucht man gute Argumente. Die liefert immer öfter der Deutsche Wetterdienst. In Städten wie München und Frankfurt hatte die Bundesbehörde bereits mit dicken Planungsgutachten Hinweise darauf gegeben, wie sich der Klimawandel auf das Stadtklima auswirken könnte und wo die Bebauung aufgelockert werden sollte. Gerade unbebaute Anhöhen in der Nähe der Stadt könnten wie Klimaanlagen arbeiten. Wenn in der Nacht die Böden solcher Anhöhen auskühlen, bildet sich dichte Kaltluft, die wie ein Fluß mit der Schwerkraft ins Tal abfließt. Und wenn man die Kaltluftschneisen nicht verbaut, kann eine Stadt hier noch Frischluft atmen.

Inzwischen ist der Deutsche Wetterdienst in Köln tätig. In Profilfahrten fahren Meßfahrzeuge durch die Stadt und finden heraus, wo es bei heißem Wetter besonders warm wird. Und wie der Rhein helfen kann, es in der Stadt etwas kühler werden zu lassen. Es ist offensichtlich, daß der Klimawandel dazu führt, daß auch die Bürgermeister und Stadträte immer mehr wert darauf legen zu verstehen, welche Auswirkungen er auf das Stadtklima hat und welche Regeln daher für den Städtebau und die Grünflächenplanung daraus folgen. Und neben der Klimatisierung der Städte spielt auch die Häufigkeit von Extremwetterereignissen eine große Rolle. Vor 10 Jahren gab es ein Sommerhochwasser an der Elbe nach extremen Regenfällen, das für Verwüstungen in der Dresdner Altstadt sorgte. Die Wetterlage mit südöstlich herangeführten warm-feuchten Luftmassen, die zu den starken Regenfällen geführt hatte, könnte bei einer zunehmenden Erwärmung häufiger vorkommen. Städte müssen sich daher der Frage stellen, wie sie ihre Städte besser vor Hochwasser schützen statt, wie früher, durch Verbauung der Flüsse Hochwasser auch noch zu verstärken. Hier müssen ganz unterschiedliche Behörden und Forschungseinrichtungen in Meteorologie, Hydrologie und Wasserbau, Stadtplanung, Landschaftsplanung und Ökologie.zusammenwirken.

In Köln wurden bereits 2010 erste Zwischenergebnisse des Projektes Klimawandelgerechte Metropole Köln vorgelegt, die zwischen dicht bebauten und von Grünanlagen durchzogenen Stadtteilen Temperaturunterschiede von bis zu 8 Grad ausweisen. In den Projektergebnissen, die die Stadt auf ihrer Webseite bereitstellt, kann man sich ein Bild davon machen, welche Aspekte in diesem Projekt untersucht werden. In diesem Rahmen ist die Frage nach dem Klimawandel schon längst keine mehr des "ob", sondern nur des "wie", und was man nun zu tun hat.

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